Einer Sprache mächtig zu sein heißt nicht unbedingt, die andere Kultur perfekt zu kennen! Gerade die ersten Monate in einem fremden Land können einem Menschen wirklich sehr viel beibringen! Das ist meine Erfahrung:
Hände schütteln. In Italien werden Hände nur in formellen Situationen geschüttelt. Freunde oder Bekannte tun es nicht, um sich zu begrüßen. Das erste Mal, das mir in Österreich die Hand zum Verabschieden gereicht wurde, habe ich dem anderen Menschen einen Sessel in die Hand gedrückt…
Mahlzeit! In Österreich wird die Mittagszeit durch diese Begrüßungsform richtig zelebriert. In Italien zeigen sich Hunger und Mittagspause nicht auf diese Art und Weise. Das erste Mal, dass ich so begrüßt wurde, war ich gerade in einem Bürogebäude für ein Vorstellungsgespräch. Ich hatte gerade etwas gegessen und habe mich sehr geniert, weil ich es als Hinweis empfunden habe, dass mein Mund schmutzig ist! Von mir ist also keine Antwort herausgekommen. Ich habe mich gleich in die Toilette geschlichen und kontrolliert, ob mein Mund sauber ist!
Schuhe ausziehen bitte! In Österreich werden die Straßenschuhe fast immer ausgezogen, wenn man sich lange an einem Ort aufhält. Egal, ob man zu Hause, bei Freunden oder in der Arbeit ist, macht man sich gemütlich. Das erste Mal, dass ich es erlebt habe, war ich mit Freunden auf einer privaten Feier. Ich habe mich richtig gewundert, wie viele paar Schuhe die Hausbesitzer haben, bis mir gesagt wurde, dass ich auch die Schuhe ausziehen soll. Es hat am Anfang Überwindung gekostet. In Italien werden Schuhe auf keinen Fall woanders als zu Hause ausgezogen…
Entschuldigung! In Österreich entschuldigt man sich gleich, auch wenn nur der Verdacht besteht, jemanden unabsichtlich berührt zu haben. In Italien kommt dies sehr selten vor. Es gibt Leute, die die anderen richtig rammen und es nicht einmal merken. Ich werde nie das Gesicht meiner Tante in Italien vergessen, als ich mich bei ihr wegen einer Berührung entschuldigt habe. Wer weiß, was sie sich von mir gedacht hat…
Begrüßen… In Italien ist der Portier in einem Wohngebäude der Freund aller BewohnerInnen! Er ist für jede/-n immer da. Er quatscht alle an und ist bei Bedarf immer bereit zu helfen. Ein Portier ist also einfach ein netter Mensch! Das war meine Einstellung, als ich in Österreich meinen ersten Job in einem Büro in einem Wohngebäude mit Portier angefangen habe. Ich habe den Portier beim Grüßen nett angelächelt und… das Lächeln ist mir gleich vergangen, weil er dies als Anmachversuch empfunden hat!
Inzwischen bin ich schon seit 12 Jahren in Österreich und ich fühle mich in beiden Ländern wie zu Hause, aber das Vergleichen endet nie: Manchmal ist es zu Gunsten Italiens und manchmal Österreichs. Das Schöne daran ist, dass ich für mich das Beste aus beiden Kulturen aussuchen kann! Ich bin mir auch sicher, meine zwei Töchter, halb Italienerinnen und halb Österreicherinnen, werden auch nur davon profitieren!