Kann die süditalienische Kultur einen Schock bereiten?

Kennen Sie schon den Film „Maria, ihm schmeckt´s nicht!“. Es ist eine deutsche Produktion und basiert auf den Roman von Jan Weiler. Ich finde ihn einfach genial! Wenn Sie mehr über die kulturellen Unterschiede zwischen Italien und Deutschland wissen wollen und sich die Frage stellen, ob man sich dazwischen treffen kann, dann müssen Sie sich diesen Film unbedingt anschauen!

Ich bin der Meinung, dass „Maria, ihm schmeckt´s nicht!“ bestens gelungen ist! In jeder einzelnen Szene gibt es explizite und implizite kulturelle Hinweise. Mit viel Leichtigkeit stellt der Regisseur das Leben in Süditalien dar: das enge Zusammenleben, die fehlende Privacy, der ständige Körperkontakt, der eher direkte Umgang mit anderen Menschen, die Wichtigkeit vom Essen, die Leichtigkeit des Lebens. Auf all das stoßt die Familie von Ian, wenn sie nach Campobello ankommt.

„Ian, wenn ich dich hier sehe, mache ich mir gerade Gedanken über die Differenz zwischen Integration und Assimilierung: Das ist ein Genpool von Wahnsinnigen!“ Das sind die Worte vom eher schockierten Eberhard, Ians Vater, nachdem er die Familie seiner zukünftigen Schwiegertochter kennen gelernt hat. Ja, eines ist es, Urlaub in Italien zu verbringen, aber bei einer italienischen Großfamilie in Süditalien willkommen geheißen zu werden ist es doch etwas ganz Anderes!

Integration und Assimilierung sind zwei große und vor allem sehr aktuelle Begriffe! Der Film zeigt einfach die Lebensweise der SüditalienerInnen, die sich als eine eigene Welt enthüllt. Diese Welt steht in vollem Gegensatz zu der deutschen. Wie kann man sie zusammenbringen? Kann eine Hochzeit zwischen einem Deutschen und einer halben Süditalienerin von der Kultur her gelingen? Können sich diese zwei Welten überhaupt zusammenfinden?

Ich liebe diesen Film, weil er nicht nur die Problematik der kulturellen Unterschiede auf eine sehr leichten Weise darstellt, sondern auch zum Nachdenken bringt. Welche Antwort der Film vorschlägt, bleibt aber in diesem Blogartikel ein Geheimnis!

„Maria, ihm schmeckt´s nicht!“ läuft im Moment auf Netflix. Verpassen Sie nicht diesen Film! Warum wird Ian ohne sein Erlaubnis „Gianni“ oder „Beckenbauer“ genannt? Wie fühlt er sich? Was entsetzt am meisten die Deutschen? Ich würde mich auf einen konstruktiven Austausch hier unten im Kommentar sehr freuen!

Kultur, Landeskunde und Interkulturalität

Der Begriff „Interkulturalität“ ist allgegenwärtig in der Fremdsprachendidaktik. Damit beabsichtigt man – ganz grob beschrieben – das Kennenlernen der Kultur hinter einer Fremdsprache unter Berücksichtigung der eigenen.

Im Rahmen eines Webinars über dieses Thema hat Paolo Balboni[1], Professor an der Uni Ca´ Foscari (Venedig) und einer der größten Namen im Bereich der Fremdsprachendidaktik in Italien, zwei wichtige Aspekte der Interkulturalität durchleuchtet. Es handelt sich dabei um die Unterscheidung zwischen Kultur und Landeskunde.

Laut Balboni beschäftigt sich die Kultur im Fremdspracheunterricht mit der Übermittlung der allgemeinen Kenntnisse über ein fremdes Land wie zum Beispiel, was die Menschen zum Frühstück essen. Dies ist essentiell nicht nur, damit wir verstehen, wie die anderen leben und die Welt sehen, sondern auch damit wir lernen, in der Fremdsprache richtig zu kommunizieren. Dadurch erlangen wir also wichtige kommunikative Kompetenzen, das sogenannte savoir-faire.

Die Entdeckung der anderen Kultur verbirgt in dieser Hinsicht für SchülerInnen eine Faszination, die jedoch schnell an Kraft verlieren kann, wenn sie nicht von der Landeskunde begleitet wird. Was meint Balboni genau mit diesem Begriff?

Darunter versteht er das Kennenlernen der richtigen Identität eines Volkes und seine Werte. Das sollte das wahre Ziel der Fremdsprachelehre sein, denn nur diese Kenntnisse über ein fremdes Land tragen dazu bei, eine Fremdsprache langfristig faszinierend zu machen. Die Lehrkraft hat deswegen die wichtige Aufgabe, die Werte eines Landes für die Klasse greifbar zu machen.

Balboni betont, dass der Vergleich mit einem anderen Land die Lernenden verändert: Wir entdecken dabei Neues und bereichern uns. In einer Zeit, in welcher der Populismus immer auf Lauer ist und die Angst verbreitet, von anderen Kulturen kontaminiert zu werden, gewinnt dieser Prozess an Bedeutung. Kulturelle Eigenschaften von einem anderen Land kennenzulernen bedeutet nicht, die eigene Welt zu verlassen, um der neuen beizutreten. Es bedeutet nur, neue Perspektiven zu entdecken.

Die übermittelnden Werte in Verbindung mit der Landeskunde sind aber nicht vorgegeben, behauptet Balboni. Es ist nicht die Gesellschaft, die entscheidet, wer wir sind, was uns bereichert oder welche Prinzipien wir vertreten. Die Werte sind in uns und nur wir sind in der Lage, diese auszuwählen.

Im Rahmen des Webinars hat Paolo Balboni vorgeschlagen, eine eigene Liste der Gründe zu erstellen, warum ein Land fasziniert und daher es sich lohnt, seine Sprache zu lernen. Da meine Unterrichtsfächer Italienisch und Französisch sind, habe ich hier zwei Listen für mich gemacht:

Italien

  • Die Renaissance und die Wichtigkeit der Kunst
  • Die Küche / slow food
  • Die Musik im Leben der ItalienerInnen
  • Seine junge und bewegte Geschichte
  • Die Schönheitskultur
  • Die Diversität im eigenen Land
  • Die Gastfreundlichkeit

Frankreich

  • Wichtige Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
  • Die Trennung zwischen Staat und Kirche
  • Das Land der Aufklärung / Revolution
  • Starker nationaler Identität Stolz und Identität
  • Wichtigkeit der Kultur
  • Die Küche

Diese Aspekte machen für mich Italien und Frankreich zwei faszinierende Länder. Italienisch ist meine Muttersprache und hat daher schon immer einen besonderen Platz in meinem Herzen, aber zu meiner Zeit als Schülerin habe ich mit vollster Interesse und Begeisterung Französisch gelernt, weil mich eben die oben genannten Eigenschaften für mich motivierend waren. Jetzt als Lehrerin möchte ich sie meinen SchülerInnen weitergeben!


[1] https://www.edilingua.it/it-it/Documento.aspx?ElementID=f6f9f810-acba-4610-b23d-255bcdac4f46