Meine älteste Tochter besucht gerade die 1. Volksschulklasse und vor ein paar Tagen bei einer Leseübung mit dem Titel „Antonio aus Italien“ wurde sie von der Lehrerin gefragt, wie man auf Italienisch „Mahlzeit“ sagt. Die Frage wurde ihr gestellt, weil die Lehrerin weiss, dass sie zweisprachig Italienisch-Deutsch aufwächst.
Sie konnte auf der Stelle nicht antworten. Die anderen Kinder haben dafür gleich gewusst und „Buon appetito“ gesagt.
Zu Hause hat sie mir alles erzählt und ich habe sie gleich gefragt, wieso sie es nicht wusste. Das Wort sagen wir eh oft zu Hause. Ihre Antwort war: „Mama, du weisst, ich bin da ein bisschen komisch: Wenn ich in Österreich bin, kann ich nur Deutsch. Wenn ich in Italien bin, dann kann ich plötzlich alles auf Italienisch sagen!“.
Ja, so ist sie wirklich! Zweisprachige Kinder können interessanterweise nicht immer gleich sagen, wie ein Wort in die andere Sprache übersetzt wird. In ihrem Kopf laufen die zwei Sprachen selbständig nebeneinander auf zwei verschiedenen Schienen.
Kinder wissen schon von Anfang an, dass eine Sprache eine eigene Welt für sich ist. Mit einer Sprache verbinden sie besondere Situationen, Gefühle, Emotionen, Erinnerungen, Erlebnisse, Erfahrungen, die sie auf Anhieb nicht mit einem anderen Kommunikationssystem ausdrücken können.
Wir Erwachsene verlangen eine Übersetzung, eine Bindung zwischen den zwei Sprachen, weil dies für uns logisch erscheint, aber Kinder wissen ganz genau, dass Übersetzungen nicht immer wortwörtlich sein können, und halten daher ihre zwei Sprachwelten voneinander getrennt.
Zweisprachigkeit bedeutet also nicht gleich Übersetzerfähigkeit. Daher ist es von Vorteil zwei- oder mehrsprachig aufzuwachsen, aber die Kunst der Übersetzung soll erst im erwachsenen Alter erlernt werden!